Die Bezugsrahmentheorie (= Relational Frame Theory, RFT)

RFT ist eine psychologische Theorie über menschliche Sprache und Kognition.

Sie wurde hauptsächlich von Steven C. Hayes und Dermot Barnes-Holmes in den frühen 80er Jahren entwickelt, auf Grundlage der Arbeiten von Burrhus Frederic Skinner sowie der philosophischen Grundlage des Funktionalen Kontextualismus.

RFT basiert auf den Prinzipien des Lernens und versucht zu erklären, wie Menschen Sprache lernen und verwenden. Sprache hat als Kommunikationsmittel einen wichtigen Wert für uns Menschen, ohne Sprache könnten wir keine komplexen Probleme lösen, Regeln und Gesetze entwickeln, kulturelle und wissenschaftliche Aufgaben lösen und unser gemeinschaftliches Miteinander regeln. Dabei wird davon ausgegangen, dass Denken als eine Art „inneres Sprechen“ dem Sprechen gleichzusetzen ist. Sprache besitzt zwei besondere Merkmale, Generativität und Symbolik.

Generativität bedeutet, dass Menschen eine unendliche Anzahl von sinnvollen Sätzen und Äußerungen erzeugen und verstehen können.

Symbolik bedeutet, dass Worte so gut wie alles symbolisieren können, Objekte, Ereignisse, Menschen, Orte und Ideen. Diese Fähigkeit verleiht unseren Vorstellungsbildern eine Realität, die sich mit einem „als ob in Realität erlebt“ vergleichen lässt und die gleichen Reaktionen und Emotionen im Gehirn auslösen.

Die Grundaussage der RFT ist, dass die Ableitung von Beziehungen zwischen Ereignissen als Basis zum Erwerb der menschlichen Sprache und Kognition anzunehmen ist.

Das umfassende Ziel der Verhaltensforschung, auf die die Bezugsrahmentheorie aufbaut, war es, eine Reihe scheinbar unterschiedlicher psychologischer Phänomene zu integrieren, darunter Reizäquivalenz, Benennen, Verstehen, Analogie, Metapher und Regelbefolgen. Das im Kern definierende Element in all diesen und vielen anderen sprachlichen Aktivitäten ist die Idee, dass Organismen lernen können, relational auf verschiedene Reizereignisse willkürlich zu antworten. Darüber hinaus soll ein solches „Antworten“ den Gesetzen einer Lern- oder Verstärker-Analyse gehorchen.

Vereinfacht ausgedrückt sieht die Bezugsrahmentheorie das Knüpfen von Beziehungen als gelerntes Verhalten. Dies ermöglicht eine Antwort auf ein Ereignis (einen Reiz) unter gleichzeitiger Bezugnahme auf ein anderes Ereignis (Reiz), ohne dass beide Ereignisse (Reize) je direkt miteinander in Beziehung gebracht wurden. Dieses relationale Antworten wird als generalisierten Verstärker behandelt. Das Konzept des relationalen Rahmens wird verwendet, um zu charakterisieren, wie die Ableitung von Reizrelationen gelerntes Verhalten sein könnte. Relationales Reagieren bedeutet das Reagieren auf einen Reiz auf der Grundlage seiner Beziehung zu einem anderen Reiz oder anderen Reizen. (z.B. ich wähle als Dessert immer das mit der meisten Schokolade)

Eigenschaften von Bezugsrahmen

Es gibt drei Haupteigenschaften des In-Beziehung-Setzens als einer erlernten Verhaltensklasse: Wechselseitige Bezugnahme (Bidirektionalität), kombinatorische Bezugnahme und Transformation von Reizfunktionen. Bezugsrahmen sind willkürlich anwendbar, d. h. unabhängig von deren physischen Relationen. Menschen sind durch ihre symbolische Sprache die einzige Spezies, welche Relationen willkürlich bilden kann (z.B. geben wir einer 10 Cents Münze mehr Wert als einer 5 Cents Münze, obwohl letztere größer ist). Diese Bezugnahme wird im naturbelassenen Sprachkontext typischerweise nicht gänzlich willkürlich angewandt.

Wenn eine Person in einem bestimmten Kontext lernt, dass A auf eine bestimmte Weise mit B in Beziehung steht, muss sich in diesem Kontext irgendeine Form von Beziehung zwischen B und A ergeben.

Wenn eine Person in einem bestimmten Kontext lernt, dass A auf eine bestimmte Weise mit B in Beziehung steht und B auf eine bestimmte Weise mit C, muss sich daraus irgendeine Art von wechselseitiger Beziehung zwischen A und C ergeben.

Der Effekt, den willkürlich abgeleitete relationale Reaktionen (englisch: AARR, arbitrarily applicable relational responding) auf menschliches Verhalten insgesamt haben, ist das Ergebnis der Tatsache, dass Reizfunktionen verändert werden, wenn abgeleitete Beziehungen zwischen Reizen etabliert werden. Alltagssprachlich formuliert könnte man sagen, dass etwas, das eine bestimmte Bedeutung hatte, eine neue Bedeutung bekommt (Törneke, 2012).

Koordination und Unterscheidung
z. B. »Es ist normal, traurig zu sein«
»Was fühlen Sie gerade jetzt nicht?«

Vergleich
z.B. » heute bin ich besser gelaunt als gestern «
» Alle anderen sind beliebter «

Gegensatzes
z. B. »Wie ist es für Sie, wenn Sie im Bett bleiben, anstatt aufzustehen?«
»Alle anderen sind klug, nur ich bin dumm«
»Alle anderen führen eine glückliche Beziehung, nur ich bin alleine und einsam.«

Bedingung
z. B. »Was geschah als Ergebnis davon, dass Sie Ihre Gefühle mitgeteilt haben?«
»Wenn ich nicht nett zu allen bin, werde ich nicht gemocht!«

Deixis (kontextabhängige Relation)
z. B. »Wenn Sie 10 Jahre weiter in der Zukunft wären, wie würden Sie dann auf Ihr Leben blicken?«
»Früher war alles besser!»

Hierarchie
z. B. »Welche Dinge tun Sie, die Teil des Wegs zu mehr Selbständigkeit sind?«
»Wenn ich einen Fehler mache, dann ist mein Leben ruiniert!«

Entstehung größerer Netzwerke durch Kombinationen der Herstellung von Bezugsrahmen

Analogien
z. B. Analogien und Metaphern wie die Busmetapher

Geschichten und Erzählungen

Ein gutes Vorbild

Ein Mullah wollte seine Tochter vor den Gefahren des Lebens bewahren. Als die Zeit gekommen war, nahm er sie zur Seite und klärte sie über die Gemeinheit und Hinterhältigkeit der Welt auf:

„Meine liebe Tochter, danke an das was ich dir sage. Alle Männer wollen nur das eine. Die Männer sind raffiniert und stellen Fallen, wo sie nur können. Du merkst gar nicht, wie du immer tiefer in dem Sumpf ihrer Begierden versinkst. Ich will dir den Weg des Unglücks zeigen. Erst schwärmt der Mann von deinen Vorzügen und bewundert dich. Dann lädt er dich ein, mit ihm auszugehen. Dann kommt ihr an seinem Haus vorbei und er sagt dir, dass er nur seinen Mantel holen wolle. Er fragt dich, ob du ihn nicht in seine Wohnung begleiten möchtest. Oben lädt er dich zum Sitzen ein und bietet dir Tee an. Ihr hört gemeinsam Musik, und wenn die Stunde gekommen ist, wirft er sich plötzlich auf dich. Damit bist du geschändet, wir sind geschändet, deine Mutter und ich. Unsere Familie ist geschändet und unser Ansehen ist hin.“

Die Tochter nahm sich die Worte des Vaters zu Herzen. Einige Zeit später kam sie stolz lächelnd auf ihren Vater zu:

„Vati, bist du ein Prophet? Woher hast du bloß gewusst, wie sich alles abspielt? Es war genauso, wie du es beschrieben hast. Erst hat er meine Schönheit bewundert. Dann hat er mich eingeladen. Wie durch Zufall kamen wir an seinem Haus vorbei. Da merkte der Ärmste, dass er seinen Mantel vergessen hatte, und, um mich nicht allein zu lassen, bat er mich, ihn in seine Wohnung zu begleiten. Wie es der Anstand befiehlt, bot er mir Tee an und verschönte die Zeit mit herrlicher Musik. Nun dachte ich an deine Worte und ich wusste genau, was auf mich zukommt, aber du wirst sehen, ich bin würdig deine Tochter zu sein. Als ich den Augenblick nahen fühlte, warf ich mich auf ihn und schändete ihn, seine Eltern, seine Familie, sein Ansehen und seinen guten Ruf!“

(S. 184f., Peseschkian, 1979)

Regelgeleitetes Verhalten mit Pliance ist „regelgeleitetes Verhalten unter der Kontrolle einer Geschichte sozial mediierter Verstärkung für die Koordination zwischen Verhalten und den antezedierenden verbalen Reizen (etwa dem Beziehungsnetzwerk oder der Regel), wobei die Verstärkung selbst basierend auf einem Rahmen der Koordination zwischen der Regel und dem Verhalten geliefert wird“ (S. C. Hayes, Barnes-Holmes & Roche, 2001; S. 108). Und lässt sich umgangssprachlich mit „tun was einem gesagt wird“ umschreiben, weil dies in der Vergangenheit soziale Verstärkung („reinforcement“) von bedeutsamen Anderen erhielt.

Die Schlüsseldimensionen von Pliance sind das Kennen der Regel, das Kennen des Verhaltens, das Kennen der Übereinstimmung Regel – Verhalten und das Wissen darüber, in welcher Weise die sozialen Konsequenzen erfolgen.

Counterpliance ist das Missachten einer Regel, die entweder von anderen oder vom eigenen Intellekt vorgegeben wird.

Tracking bedeutet die umfassenderen Konsequenzen des Befolgens einer Regel wahrzunehmen, die über das einfache Erhalten von Zustimmung oder Nichtmissbilligung durch den Regelsetzenden hinausgehen.

Formatives Augmenting ist Verhalten aufgrund einer Regel, die eine gegebene Konsequenz als verstärkend oder bestrafend etabliert. Ein formatives Augmental verleiht einem Ausgang von Geschehnissen somit verstärkende oder bestrafende Qualitäten, indem es dieses in Beziehung zu einem bereits etablierten Verstärker setzt.

Motivatives Augmenting ist Verhalten aufgrund einer Regel, die die Wahrscheinlichkeit dafür verändert, dass ein bereits etablierter Verstärker (oder Strafreiz) in einer bestimmten Situation als verstärkend (oder bestrafend) fungiert.

Literatur:

Barnes-Holmes D, Barnes-Holmes Y, McEnteggart C (2020). Updating RFT (More Field than Frame) and its Implications for Process-Based Therapy. Psychol Rec (2020). https://doi.org/10.1007/s40732-019-00372-3

Barnes-Holmes Y, Barnes-Holmes D, McHugh L, Hayes SC (2004). Relational Frame Theory: Some Implications for Understanding and Treating Human Psychopathology. Int J Psych and Psychol Ther 4:2; 355-375.

Hayes SC (2004). Acceptance and Commitment Therapy, Relational Frame Theory, and the Third Wave of Behavioral and Cognitive Therapies. Beh Ther 35; 639-665.

Hayes SC, Barnes-Holmes D, Roche B (Ed.) (2001). Relational Frame Theory. A Post-Skinnerian Account of Human Language and Cognition. New York: Kluwer Academic Publ. (bekannt auch als The Purple Book of RFT).

Hughes S, Barnes-Holmes D. (2005). Relational Frame Theory. The Basic Account. Chapter 9 (129-178) in: Zettle RD, Hayes SC, Barnes-Holmes D, Biglan A. The Wiley Handbook of Contextual Behavioral Science. Hoboken, NJ: John Wiley & Sons.

Peseschkian N (1979). Der Kaufmann und der Papagei. Orientalische Geschichten in der Positiven Psychotherapie. Frankfurt/M.: Fischer.

Törneke N (2012). Bezugsrahmentheorie. Eine Einführung. Paderborn: Junfermann. (orig. Learning RFT. An Introduction to Relational Frame Theory and its  Clinical Applications. Oakland: New Harbinger 2010).

Törneke N, Luciano C, Barnes-Holmes Y, Bond FW (2015). RFT for Clinical Practice: Three Core Strategies in Understanding and Treating Human Suffering. Chapter 12 (254-272) in: Zettle RD, Hayes SC, Barnes-Holmes D, Biglan A. The Wiley Handbook of Contextual Behavioral Science. Hoboken, NJ: John Wiley & Sons.