FAP wurde von Robert Kohlenberg und Mavis Tsai in den 1980er-Jahren entwickelt. Bei der Reflexion von Videobändern zu Therapiesitzungen stellten sie damals einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Qualität der therapeutischen Beziehung und der Wirksamkeit von herkömmlichen Verhaltenstherapien fest. Sie analysierten diese besonders effektiven Therapien mit Mitteln der klinischen Verhaltensanalyse und konstatierten, dass die besonderen therapeutischen Effekte signifikant mit den unmittelbaren, selektiven („kontingenten“) und natürlichen Verstärkungen der Therapeutin zusammenhingen. Daraus entwickelten sie ein therapeutisches Modell, das auf wissenschaftlich bewährte, behaviorale Prinzipien fußt und eine spezifische Art der Gestaltung der therapeutischen Beziehung anhand von fünf Regeln empfiehlt.
- Achte auf klinisch relevantes Verhalten in der Therapiesitzung!
„Bewusstheit“; Prozessbeobachtung
- Rufe klinisch relevantes Verhalten in der Sitzung hervor!
„Mut“; Problemaktualisierung
- Verstärke Verhaltensfortschritte natürlich!
„Therapeutische Liebe“; kontingente und natürliche Verstärkung
- Beobachte die Wirkung des Therapeutenverhaltens!
„Bewusstheit“; interpersonelle Achtsamkeit
- Biete funktionale Interpretationen und Strategien zur Generalisierung an!
Diese fünf „Regeln“ sollen Orientierung bieten hinsichtlich eines generell effektiven Vorgehens und zugleich Raum für eine individuelle und kreative Ausgestaltung der Therapie lassen. FAP ist ein ideographischer Ansatz: Die Therapeutin verwendet ihr natürliches Selbst als Werkzeug und das Fallkonzept wird anhand der spezifischen Probleme, Ressourcen, Werte und Zielen der Patientin individualisiert, um ihr zu helfen, in der von ihr selbst gewählten Richtung zu wachsen. Zur „Ideographie“ gehört auch die funktional-analytische Haltung: FAP-Therapeuten erachten nicht so sehr die äußere Form des Verhaltens (Diagnosen, Symptome) als relevant für ihr Vorgehen, sondern vielmehr dessen Funktion. Ziel ist es, breite “Verhaltensklassen”, die der äußeren Erscheinung nach sich sehr unterscheiden können, in ihrer funktionalen Gleichartigkeit (wie etwa „emotionale Vermeidung“) zu erkennen und zu modifizieren. Statt eines manualisierten „one-size-fits-all“-Vorgehens versuchen FAP-Therapeuten also, eine eigene maßgeschneiderte Therapie für jede Patientin zu erschaffen.
Die therapeutische Beziehung ist eine Realbeziehung und nicht ein bloßes Produkt von „Übertragung“. „Real“ bedeutet hier, dass die Therapiebeziehung die gleichen Reaktionen hervorruft wie „alltägliche“ Beziehungen. Das Therapiesetting ist ein interpersoneller Kontext, der Risiken, Selbstoffenbarungen, Vertrauen, Ehrlichkeit etc. verlangt. Es enthält also die wesentlichen Stimuli assoziiert mit sozialer Bestrafung, Zurückweisung, Nähe / Intimität, Fürsorge etc.. Die therapeutische Beziehung ist deshalb im besonderen Maße geeignet, eine Konfrontation mit den eigenen sozialen Grenzen sowie der eigenen Verletzlichkeit zu fördern und verschiedene Beziehungsfähigkeiten zu nähren und zu formen. Und wenn die therapeutische Beziehung funktional gleichartig zu den Alltagsbeziehungen ist, dann kann neues Verhalten, das im Kontext der therapeutischen Beziehung entsteht, auch zurück auf die Alltagsbeziehungen generalisieren. FAP-Therapeuten werden deshalb angehalten, diese „funktionale Gleichartigkeit“ zu bedeutsamen Beziehungen zu fördern, indem sie wie auch in anderen nahen Beziehungen ihre Gefühle und Gedanken ausdrücken, sich authentisch zeigen und interpersonelle Risiken eingehen. Die Therapie ist keine bloße Kostümprobe für das Leben; hier findet wirkliches Leben statt.