Ein Leben nach Trauma

Zwei Eindrücke zum Workshop mit Robyn D. Walser, September 2016

Den Schön-Kliniken ist es im September 2016 einmal mehr gelungen, Robyn Walser nach Deutschland zu holen, diesmal nach Bad Bramstedt unter der aktiven Organisation von Bertram Schenkluhn und Claudia China. Robyn Walser ist eine sehr dynamische, warmherzige und gleichzeitig herausfordernde ACT-Trainerin. Ihre Schwerpunkte setzt sie in den Bereichen Traumatherapie und Suchterkrankungen. Und sie  ist dafür bekannt, eindrucksvolle und zugängliche Workshops zu gestalten. Hier zwei Eindrücke:

„Der Raum wo der Workshop stattfindet ist ziemlich groß, wirkt ein wenig kühl und wird durch die rund 40 Seminarteilnehmer kaum ausgefüllt. Robyn strahlt Wärme und Präsenz aus und mit Empathie gelingt es ihr schnell, eine Atmosphäre angenehmer Vertrautheit in der Gruppe zu kreieren. In ihren Demos geht es dann „ zur Sache“: Es ist beeindruckend zu erleben, wie sie einen Spannungsbogen zwischen Validierung und Konfrontation aufbaut – fast „dialektisch“. Immer wieder betont Robyn, dass es für sie bei der ACT um sehr viel mehr ginge, als um die systematische Anwendung der einzelnen Prozesse des Hexaflexes. Es ginge vor allem darum, sich in der Therapie auf einen gemeinsamen Prozess einzulassen, dessen Entwicklung sich fortwährend neu gestaltet.  Dafür bedarf es viel Empathie und Einfühlungsvermögen. Ich muss innerlich ein wenig lächeln als sich Robyn im Verlauf des Kurses dennoch darauf einlässt, uns in einer Demo die Kunst des „Hexa-Dancing“ nahezubringen. Dann sind wir dran: „Hexa-Dancing“ üben. Als wir in unserer Kleingruppe die einzelnen Prozesse in schneller Abfolge durchgehen, fühle ich mich ein wenig erinnert an „Kochen nach Lafer“: Auch wenn wir die einzelnen Zutaten seiner Rezepte kennen  können wir ihn noch lange nicht kreieren. Wie wird man nun aber ein wirklicher Sternekoch? Diese Frage kann mir leider auch Robyn nicht beantworten….“
Dr. Maria Kensche, ärztliche Psychotherapeutin, Berlin

„Nach dem Online-Kurs von Russ Harris zu ACT bei Trauma war ich gespannt zu erleben, wie Robyn Walser, die den Kurs beratend begleitet hatte, das Thema live vermittelt. Einen ersten kurzen Eindruck von ihrer Persönlichkeit hatte ich aus einem kurzen YouTube-Gruß an die Teilnehmer ihrer „European Workshop-Tour“: herzlich, direkt, konkret, bodenständig. Dieser bestätigte sich in ihrer Präsenz vor der Gruppe und wurde ergänzt um: offen, neugierig und mit ausserordentlich großem Sachverstand um Contextual Science, ACT und Traumafolgestörungen – ganz klar vor dem Hintergrund, Schülerin der „ersten Stunde“ von Steven Hayes zu sein. Gleich im ersten Abschnitt formulierte sie eine Orientierung auf „Prozesse statt Interventionen“ und beschrieb und demonstrierte dies deutlich in der Funktion, dem Individuum offen, achtsam und authentisch zu begegnen.

Inhaltlich hat sich mir insbesondere festgesetzt:
Menschen streben nach Ordnung. Mit Trauma wird eine grundlegende Ordnung zerstört, die der Mensch versucht, nach seiner Macht und seinen Möglichkeiten wieder herzustellen. Doch Ordnung ist ein Konstrukt, eine Illusion – es gibt keine feste Ordnung in der Welt. Denken an sich ist un-ordentlich: es gleicht einem Topf kochenden Wassers, einem Wasserfall, einem Feuerwerk …. Man kann es beobachten und man kann geordnet äußern – verbal, schriftlich. Doch es ist an sich kein geordneter Prozess. Daher ist das Streben nach Ordnung Teil des Problems und trägt zu Orientierungslosigkeit und Leiden bei.
Schuld und Scham sind Ausdruck von Mensch sein; in unseren sozialen Kontexten. Eine Reduzierung dieser Gefühle als Ziel von Therapie ist nicht notwendig.
Vergebung kann nur gelingen, wenn man sich für sie entscheidet ohne irgendeine Erwartung an die Person, der man vergibt.

… und eine Reihe Demonstrationen und Übungen, die sich für mich und mit Patienten bereits als nützlich erweisen. Der Wechsel zwischen theoretischem Input und praktischer Anwendung und Übungen, Rollenspielen und Demos war dynamisch, flexibel und lebendig.

Beim Abendessen in kleinerer ausgesprochen fröhlicher Runde wurde Ms. Walser noch persönlicher und erzählte von ihren Arbeitsbedingungen in Berkeley, CA, (2 Stunden Fahrt in jede Richtung) und von ihrem Mops, der zuhause auf sie wartete.

Wieder einmal wurde mir deutlich, dass ACT nicht auf Diagnosen und Kategorien setzt, sondern auf Prozesse des Individuums, die wir in der therapeutischen Interaktion achtsam und annehmend aktivieren und begleiten können.“
Dipl.-Psych. Mareile Rahming, psychologische Psychotherapeutin, Berlin