O-Töne von der 15. ACBS World Conference in Sevilla

Der Sommer ist vorbei, der Herbst in seinen letzten Atemzügen und der Winter steht schon ungeduldig vor der Tür – das Jahr 2017 geht zu Ende. Eine tolle Gelegenheit, die großen und kleinen Highlights dieses Jahres noch einmal zu erinnern. Und spätestens die Erinnerung an die 15. Weltkonferenz in Sevilla sollte einem für kurze Zeit die winterliche Kälte vergessen lassen – denn neben der Durchschnittstemperatur von 37 Grad, war die Konferenz wieder geprägt von vielen herzerwärmenden Momenten und Begegnungen. Um noch einmal die Erinnerung aufleben zu lassen, sowie allen, die nicht dabei sein konnten, einen kleinen Einblick geben zu können, freuen wir uns sehr, euch drei Erlebnisberichte vorstellen zu dürfen. An dieser Stelle deshalb nochmal ein großes Dankeschön an die Verfasser Henrik und Stefan.

Erlebnisbericht 1: Henrik Nolte, Künstler und Coach

Gerade hatte ich begonnen, Kelly Wilsons Buch things might go terribly horribly wrong noch einmal zu lesen, da sah ich auf der ACBS Webseite, dass Wilson einen Workshop auf der World Conference 2017 anbietet. Ich also sofort, zack, mich angemeldet und den Flug gebucht. Wollte sowieso schon seit langem mal nach Sevilla.

In Wilsons Workshop gab es dann vieles über das ich hier berichten könnte, ich möchte mich aber auf ein Detail konzentrieren. In einer Paar-Übung sollten wir möglichst mit einer Person sprechen, deren Landessprache wir nicht kannten. Da die Sprache der anderen also unverständlich war, mussten wir das Gesagte nun irgendwie anders ‚entschlüsseln‘. So galt unsere Aufmerksamkeit eher dem Augenkontakt, der Gestik und der ‚Ausstrahlung‘ der Partner.

Dieses Konzentrieren auf die sinnliche Ebene der Kommunikation freute mich als Künstler (und Coach) besonders, da es mir in der Bildenden Kunst ja darum geht, jenseits der Worte zu denken. Nonverbales Denken ist sinnlich orientiert und ist in der Welt der Ambiguität zuhause. Das ist die Welt der Negativ-Räume, des Raumes zwischen den Dingen, des Rätselhaften und des Ganzheitlichen. Schön auch, dass Kelly Wilson die Künste als vorbildhaft für diese Seite des Denkens nannte. Ja, finde ich auch. Thanks again, Mister Wilson!

Erlebnisbericht 2: Stefan Wagler, Psychologe, Psychotherapeut in Ausbildung, Trainer und Coach

Die ACBS WC15 in Sevilla war mein erster direkter Kontakt mit der größeren ACBS Gemeinschaft. Davor habe ich mich mittels Bücher, Podcasts, und den Internetressourcen zwar viel mit ACT und RFT auseinandergesetzt, aber keinen Communityanschluss gehabt. CBS ist im Nahen Osten – wo ich die letzten sechs Jahre lebte – einfach noch nicht so weit durchgedrungen.

Um meine ersten ACBS Eindrücke möglichst authentisch zu teilen, lasse ich am besten einfach mein Tagebuch in Auszügen für mich sprechen.

Di, 20. Juni, Berlin Sevilla!

Pre-Con Workshop bei Kelly Wilson. Eindrücklicher Auftakt! Tolle Gespräche, nur viel zu unterkühlter Raum. Danach Stadtrundgang. Wunderschöne Stadt! Abends in kleine Kneipe zu Tapas & Orangenwein. Toll! Dabei Programmheft gelesen. Riesenfreude über die spannenden Workshops!!

Mi, 21. Juni, Sevilla.

Großartige Workshopfortsetzung! […] Firstcomertreff, mit Leuten in Kleingruppe aus Sierra Leone, Kolumbien, Malaysia, Brasilien & mit mir (Yay for diversity!). Schöner Abend mit dt. ACTies in Tapas Bar.

Do, 22. Juni, Sevilla.

Plenary mit Carmen Luciano. Wenig verstanden. Workshop zu Creative Hopelessness mit Rikke Kjeergaard & Robyn Walser. Etwas über mich gelernt.  […] Danach tiefes “FAPly hour”-Gespräch mit jemanden aus Kanada. Tapas & Wine Event; viele tolle Menschen getroffen, selbst von den Faröer Inseln. Sehr schöner Abend mit tollen Gesprächen. Rückweg, Tapas & Bett.

Fr. 23. Juni, Sevilla.

Rapid-Role play Workshop mit fluider Integration der sechs Prozesse durch Robyn Walser & Darrah Westrupp – beeindruckend! Überwältigendes Plenary mit Steven Hayes zur Integration des evolutionären Modells und Psychotherapie. Intellektuelle Meisterleistung! […] Dann noch mit DGKVlerInnen in der Altstadt weg gewesen.

Sa, 24. Juni, Sevilla.

[…] Workshop zu Metaphern von Niklas Törneke & Jen Villate. Bereichernd; das Buch dazu sollte ich kaufen. Mittags, DGKV-Treffen. Toll, die deutschsprachige ACT-Community hier kennenzulernen!
Dann Workshop zu “Sitting with mortality”. Sehr emotional und tränenreich. An [kürzlich verstorbene Freundin] gedacht und wie sie bei mir eine Spur hinterließ.

Großartiges Plenary von DJ Moran zu einer verhaltensanalytischen Betrachtung von Mindfulness. Abends, die “Follies”. Schöne Gespräche, irgendwann heim.

So, 25. Juni, Sevilla -> Madrid -> Berlin.

Ausgecheckt, Workshop mit Joe Oliver & Eric Morris zu ACT für Psychosebetroffene. Sehr gut! Danach noch Gespräche, Kontakte austauschen, verabschieden. Mit Zug nach Madrid, dort aus Versehen Kutteln bestellt 😐

Zum Flughafen. CBS & evolution science paper von Hayes gelesen. Geflogen, spät angekommen. Aber wow! Was für ein Kongress!

Was für ein Kongress!

Erlebnisbericht 3 : Stephanie Schwarz, Psychologiestudentin

Der Besuch der diesjährigen ACBS WC war wieder eine sehr bereichernde Erfahrung für mich und von den vielen Erkenntnissen und Erlebnissen möchte ich an dieser Stelle gerne einen Moment teilen, der mich persönlich sehr gerührt hat und noch heute in mir nachklingt. Zu Beginn jedoch ein paar einleitende Worte:

Zur Anmeldung bekamen alle Kongressteilnehmer ein dickes DIN A4 großes Programmheft in die Hand – über 200 Referenten aus der ganzen Welt waren gekommen, um uns über 150 Möglichkeiten zu bieten, mehr zu ACT, RFT und FAP zu lernen. Man hatte also die Qual der Wahl. Irgendwann schaffte auch ich es, eine Auswahl zu treffen und setzte mich in die erste Veranstaltung des Tages. Zusammen mit ca. vierzig anderen Teilnehmern folgte ich gespannt dem Vortrag des Redners. Soweit so gut. Da die Veranstaltung das Format eines Workshops hatte, waren schon sehr bald wir als Teilnehmer gefragt, uns in Form von Übungen aktiv zu beteiligen. Trotz der offenen und herzlichen Art der anderen Teilnehmer fühlte ich mich durch meine kaum vorhandenen therapeutischen Erfahrungen sehr unsicher. Ein Gedanke in meinem Kopf verlangte dabei besonders viel Aufmerksamkeit: Was willst du unerfahrene Studentin unter all diesen Fachexperten mit ihren jahrelangen praktischen Erfahrungen und ihrem großen Wissensvorsprung? Wie hilfreich es wohl gewesen wäre, wenn der Workshop bei Rikke Kjelgaard weiter oben im Veranstaltungsplan gestanden hätte.

Mit ihrer herzlichen und humorvollen Art führte sie uns am Samstag durch ihren Vortrag zu einem Thema, bei dem sich den Reaktionen zufolge jeder im Raum angesprochen fühlte: Fehler, die man als (ACT)-Therapeut nicht machen will, wie sich aber herausstellt, selbst den erfahrensten Therapeuten passieren. So hat sie uns in einer Übung erleben lassen, wie schnell auch ein Therapeut von „nervenden Gedanken“ – eine dritte Person, die mit allen Mitteln der Kunst versuchen sollte, den Therapeuten während des Rollenspiels abzulenken – verhindert werden kann, in Kontakt mit dem Klienten / der Klientin zu gehen. Eine sehr persönliche Note erhielt der Workshop zudem durch viele persönliche Einblicke ihres eigenen Erlebens in ihren Praxisalltag.

Zum Abschluss stellte sie uns ein selbstgedrehtes Video vor, das sehr eindrucksvoll zeigte, dass wir „alle im selben Boot“ sitzen: https://www.youtube.com/watch?v=O_r8qLoMf2E Und ich begriff, dass der Gedanke, der mich während des gesamten Kongresses verfolgte, wahrscheinlich immer anwesend sein wird, ob nun mit null, fünf oder zwanzig Jahren Berufserfahrung.