Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT)

ACT ist Teil der sogenannten „dritten Welle“ der Verhaltenstherapie und basiert entsprechend auf lerntheoretischen Grundlagen. Die Metapher der Welle drückt aus, dass  ACT in einem Kontinuum der Entwicklung von wissenschaftlich verankerten Ansätzen lagert und dabei auf vorangegangenen Erkenntnissen aufbaut und offen für weiteren Fortschritt ist. ACT ist damit weder ein Neuanfang noch ein Endpunkt.

In der Praxis ist ACT weniger von der Anwendung spezifischer Methoden, sondern primär von einer Haltung gekennzeichnet, welche sich in folgenden Grundannahmen zusammenfassen lässt.

Alle Weisheitstraditionen berichten von dem Umstand, dass Schmerz zum Leben dazugehört. Für sprachfähige Menschen ergibt sich jedoch die Besonderheit, dass wir mittels der Problemlösefähigkeiten unseres Verstandes versuchen können, Schmerz zu vermeiden. Während diese Strategien in der beobachtbaren Welt gut funktionieren können (z.B. Topflappen nutzen bevor man den Topf vom Herd nimmt), ist diese Strategie bezogen auf innere Ereignisse meist zum Scheitern verurteilt („Denk‘ nicht an den rosa Elefanten!“). Den Kampf gegen inneren Schmerz beschreibt ACT als Erlebensvermeidung und zeigt, wie dieser Kampf zu Kollateralschäden und letztendlich psychischem Leid führt. Psychisches Leid ist damit die Kombination aus natürlichem, zum Leben gehörenden Schmerz und den Kosten des Kampfes dagegen.  Der Grundimpuls von ACT – den Kampf gegen unerwünschte innere Ereignisse aufzugeben – erscheint dann so naheliegend und kontraintuitiv zugleich.

Die menschliche Tendenz, inneren unangenehmen Ereignissen mit Vermeidung zu begegnen, ist universal und eine Konsequenz aus der evolutionär gewachsenen symbolischen Denk- und Problemlösefähigkeit des Menschen. Kurz gesagt, wir alle kennen Erlebensvermeidung und praktizieren sie täglich. Wenn dies nun bei Menschen zu (psychischen) Problemen führt, weshalb sie Hilfe suchen, so liegt „das Problem“ nicht in ihnen. Sie sind nicht kaputt / krank / gestört, sondern aus Sicht von ACT in eine sprachliche Falle von unwirksamen Problemlösestrategien getappt und darin stecken geblieben.

Die soziale Konditionierung der meisten Menschen ist voll von Botschaften á la „Don’t worry, be happy!“ und “Man muss seine Gefühle kontrollieren können”. Solche inneren Überzeugungen verleiten dazu unwirksame und schädliche Strategien im Umgang mit unangenehmem innerem Erleben anzuwenden. In diesem Licht erscheint die Haltung von ACT kontrakulturell, da sie sich querstellt gegenüber Vorschlägen wie „Denk‘ lieber nicht darüber nach!“, oder „Man muss optimistisch sein!“. Für Praktiker*innen ergibt sich daraus, dass der beste Weg zum Erlernen von ACT die Anwendung im eigenen privaten Leben ist.

ACT in Psychotherapie, Coaching und anderen Kontexten dient dazu, Menschen in einem reicheren und werteorientierten Leben zu unterstützen.

Moderne Psychotherapie ist weiterhin geprägt von einer meist unkritischen Übernahme des biomedizinischen Modells, obwohl störungsspezifische Forschung mit Mitteln in Milliardenhöhe nicht eine einzige psychische Krankheit beschreiben konnte, welche der Krankheitsdefinition der WHO entspricht (Kupfer et al., 2002). ACT kritisiert diese Entwicklung und löst sich von dem vorherrschenden Paradigma der Symptomreduktion. Im Mittelpunkt steht stattdessen, die Anstrengungen aus dem meist unwirksamen Kampf gegen innere Ereignisse umzuleiten, um sie in wachsende Muster von werteorientiertem Verhalten zu investieren. Es geht um die Frage, was ein Leben für die Person sinnvoll und persönlich wertvoll macht. Hunderte von RCT-Studien zeigen, dass mit diesem Ansatz Symptomreduktion ein willkommener Nebeneffekt ist, obwohl es explizit nicht das intendierte Ziel ist. Als kontextuelle Therapieform betont ACT dabei die Notwendigkeit, das Verhalten und Erleben von Menschen im Kontext ihrer Bedingungen zu sehen und zu verstehen, um auf diese für das Ziel eines werteorientieren Lebens Einfluss zu nehmen. Akzeptanz ist damit nicht zu verstehen, als Toleranz von lebenseinschränkenden Umweltbedingungen. Akzeptanz heißt, die inneren Effekte dieser Bedingungen anzunehmen und mit ihnen für eine Vision eines wertvollen Lebens engagiert zu handeln.

Um diese Haltung im Therapie- und Beratungsgeschehen leicht nutzbar zu machen, gibt es mehrere ACT-Modelle. Eine Auswahl davon wird hier vorgestellt:

  • Die sechs Kernprozesse im Hexaflex
  • ACT-Matrix
  • WER-T (Englisch: DNA-V)
  • Erweitertes Evolutionäres Meta-Modell (EEMM)

Die sechs Kernprozesse
im Hexaflex

Das Hexaflex-Modell beinhaltet sechs Prozesse, welche gemeinsam psychische Flexibilität bilden. Die Darstellung der Flexibilitätsprozesse in einem Hexagon (daher der Name Hexaflex) dient vor allem der leichteren Darstellung in Trainings und der Einprägsamkeit. Man kann alternativ die sechs Kernprozesse paarweise gruppieren und damit die gröberen Kategorien offen, bewusst und engagiert (das sogenannte Triflex) beschreiben. Wichtig ist hierbei nicht die Anzahl der Untergliederungen, da alle Prozesse als ineinander verbundene und verwobene Facetten von psychischer Flexibilität gesehen werden.

Akzeptanz ist – im Sinne von ACT – eine urteilsfreie Wahrnehmung der Dinge, so wie sie sind.  Akzeptanz benötigt die Bereitschaft, inneres Erleben (also Gedanken, Erinnerungen, Gefühle und Körpersensationen) anzunehmen, ohne zwingend und automatisiert auf sie zu reagieren.

Wichtig ist: Akzeptanz ist nicht Resignation. Bei Akzeptanz geht es nicht darum, Probleme künstlich aufrechtzuerhalten. Es geht auch nicht darum, unerwünschte Ereignisse als unveränderlich wahrzunehmen. Das Gegenteil ist der Fall: Akzeptanz heißt, die Bereitschaft zu haben und immer wieder zu fördern, Gedanken und Gefühle – auch wenn sie schwierig sind – voll und ganz zu erfahren und anschließend zu handeln.

Schwierige Gefühle und Gedanken sind ein unvermeidbarer Teil des Lebens. So geht beispielsweise ein hohes berufliches Engagement häufig mit Anspannung, Erschöpfung oder auch Zweifeln einher. Erst die Bereitschaft, dieses Erleben wahrzunehmen, ermöglicht Wahlfreiheit: Ist es in dieser Situation wichtig, das Engagement weiter aufrechtzuerhalten um z.B. eine als bedeutsam erachtete Aufgabe zu beenden oder ist es auch wichtig – vielleicht sogar wichtiger – zugunsten der eigenen Gesundheit oder relevanter, naher Beziehungen beruflich zurückzutreten

.  Ohne diese gewohnheitsmäßige Vermeidung können wieder wichtige Schritte getan werden, ohne die Angst vor unangenehmen Gedanken oder Gefühlen. Auf diese Weise fördert Akzeptanz wirksames Handeln. Wir sind nicht mehr in dem mühsamen Versuch gefangen, schwierige Gefühle zu vermeiden und unsere Kraft wird nicht mehr im Kampf gegen unerwünschte Gedanken aufgebraucht. Es werden wieder Ressourcen frei, um bewusst zu handeln (Hayes, 2019).

Eine greifbare Metapher zur Beschreibung von Akzeptanz ist die Treibsand-Metapher. Angenommen, ein Reisender läuft versehentlich in eine Treibsandgrube. Je mehr er gegen den Sand kämpft, indem er energisch versucht, seine Beine aus der Grube zu heben, desto mehr sinkt er hinein. Die beste Chance, unverletzt aus dem Treibsand herauszukommen, besteht darin, mit dem Sand voll in Kontakt zu kommen, indem man versucht, sich darauf zu legen, die Kontaktflächen auszudehnen und anschließend zum Rand der Grube zu schwimmen (Moran, 2011).

Kann für das eigene Erleben keine Akzeptanz aufgebracht werden, sind wir also nicht bereit, inneres Erleben zu akzeptieren und versuchen, dieses zu vermeiden, wird dies als Erlebensvermeidung bezeichnet (Hayes, Wilson, Gifford, Follette & Strosahl, 1996). Indem wir versuchen, schwierige Erlebnisse zu vermeiden – meist, weil sie als gefährlich oder schmerzhaft empfunden werden – schränken wir jedoch unsere Potenziale ein. Wir bleiben in unserem vermeidenden Verhalten stecken und sind nicht mehr offen für neue Verhaltens- und Sichtweisen (Hayes, Strosahl & Wilson, 2014).

Wir besitzen einen kontinuierlichen Strom an Gedanken. Diese Gedanken sind ein Produkt eines inneren Monologs, mit welchem wir alle Erfahrungen, welche wir machen, beschreiben, beurteilen und bewerten. Durch diesen ständigen Denkprozess wird unter anderem auch die Fähigkeit zur Problemlösung gewonnen (Hayes, 2019; Moran 2011). Ungeachtet der Tatsache, dass dieser innere Monolog hilfreiche und effektive Gedanken hervorbringen kann, kann er auch quälend sein und zu einem inneren Kritiker aufsteigen, einem «inneren Diktator», der über uns, unser Erleben oder andere Menschen hart urteilt (Hayes, 2019).

Defusion beschreibt die Entschärfung solcher Gedanken, die Distanzierung vom inneren Diktator. Wobei Defusion nicht mit dem Ersetzen von Gedanken oder dem Versuch, sie zu ändern, verwechselt werden sollte (Hayes, 2019). Der Versuch, unerwünschte Gedanken zu ändern, hat eine paradoxe Wirkung: Gedanken zu verdrängen oder zu ändern, erfordert eine hohe mentale Kontrolle und erhöht ironischerweise die Beschäftigung mit dem unerwünschten Gedanken (Wegner, Schneider, Carter & White, 1987; Smart & Wegner, 1999).

Defusion lässt sich besser mit dem Gegenstück, der kognitiven Fusion, erklären. Sprache und Kognition lassen sich kaum verlangsamen, wenn sie einmal in einem Netzwerk angelegt sind.  Kognitionen sind in unserem Gehirn in sogenannten Bezugsnetzen angeordnet. Bezugsnetze stellen Verbindungen zwischen Ereignissen her und sind häufig in Wortpaaren angelegt, beispielweise (1 Euro ist gleich viel wie 100 Cent, Zwei Äpfel sind mehr als ein Apfel, Er ist schöner als ich, ich bin schlechter als er.) Diese Bezugsnetze wurden in der Forschung zu der Relational Frame Theory untersucht und weitgehend bestätigt. Bereits kleine Kinder denken in solchen Bezügen und können entsprechend durch die „Größer als”, “kleiner als” Bezüge den Wert zweier Münzen ableiten (Barnes-Holmes et al., 2004)

Häufig werden Erlebnisse, Gedanken und Gefühle automatisch bewertet und in ein ganzes Netzwerk von Bedeutungen eingebaut. Diese Bewertungen lösen wiederum Handlungen aus, ohne dass der damit verbundene Prozess, die innersprachliche Bewertung und Benennung bewusst wird (Hayes, 2016). Die Art, wie wir Menschen verschiedene Gedanken zu einem Netzwerk bilden, wird Bezugsrahmentheorie (Englisch: Relational Frame Theory; kurz: RFT) genannt. Angenommen, ein kleines Kind wird von einem Hund gebissen, erfährt es Schmerzen und beginnt zu weinen. Weiter angenommen, dasselbe Kind lernt später, dass die Lautfolge H-U-N-D für das Tier stehen, das es damals gebissen hat, wird das Kind sich im Beisein des Wortes „Hund“ ängstlich fühlen, selbst wenn das Wort «Hund» nicht in Gegenwart des Tieres gelernt wurde. Diese Angst-Reaktion wird durch das Denken in Bezügen hervorgerufen (Hayes, 2004), z.B. dass ein Ereignis in wechselseitiger Beziehung zu einem anderen steht, wie z.B. „Hund“ in Verbindung mit „Schmerz“ oder «Weinen». Diese Situationen, «Hund» und «Schmerz», sind nicht durch tatsächliche Ereignisse miteinander verbunden, sondern durch kognitive und verbale Aktivitäten, die mit diesen Ereignissen in einem Zusammenhang, einem Bezugsrahmen, stehen (Hayes, 2016).

Kognitive Fusion beschreibt die Unkenntnis dieses Bezugsrahmens, d.h. der Bedeutungsgebung und Vernetzung von Gedanken mit Erlebnissen. Es beschreibt die Verschmelzung von Gedanken und Erleben, wie z.B. «Hund» mit «Schmerz». Aufgrund dieser Verschmelzung sind Menschen weniger verbunden und in Kontakt mit dem Hier und Jetzt. Sie sind verschmolzen, fusioniert, mit dem eigenen Netzwerk an Bewertungen und Gedanken und weniger in der Lage, die Möglichkeiten des gegenwärtigen Augenblicks wirklich zu sehen. Folglich neigen Menschen mit einer hohen kognitiven Fusion auch eher dazu, von Regeln dominiert zu werden, ohne sie in Hinblick auf die gegenwärtige Situation und Funktionalität zu hinterfragen. Wenn die Reizfunktion von Wörtern verändert wird, d.h. nicht aus «Hund» automatisch «Schmerz» entsteht, sondern der Bezugsrahmen selbst beobachtet werden kann, entsteht eine Flexibilität, d.h. es tut sich ein Handlungsspielraum auf, der es ermöglicht sich entweder auf die Schmerzen, verbunden mit der Erinnerung an den Hundebiss, zu fokussieren, oder sich auf die Gegenwart, beispielsweise das Gespräch über den Lieblingshund der* Nachbar*in, einzulassen. Durch diese Flexibilität verlieren die Bewertungen von Gedanken und Erinnerungen ihre Wirkung und «wirken» nicht mehr derart verhaltensprovozierend, d.h. angstauslösend oder beunruhigend (Hayes, 2016).

Forschung zu ACT konnte empirisch belegen, dass Defusionstechniken helfen, die eigenen Regeln und Bewertungen weniger wörtlich zu nehmen. Mittels Defusion kann ein gewisser Abstand zu dem inneren Diktator eingenommen werden und Gedanken können als das gesehen werden, was sie sind: Gedanken, in einem riesigen Netzwerk von weiteren assoziierten Gedanken die sich häufig als fortlaufenden Strom von Bewertungen, Erinnerungen, Zukunftsideen herausstellen. Durch innere Distanzierung entsteht ein Raum, so dass unterstützende Gedanken angenommen und hinderliche Gedanken «bemerkt» und wieder losgelassen werden können (Hayes, 2019).

Im Allgemeinen denken Menschen über sich selbst in einer geschichteartigen Weise – sie erzählen sich selbst Geschichten. Sie glauben zu wissen, was sie tun können (oder zweifellos nicht tun können), wie sie sind (oder sicherlich nicht sind) und warum andere ihre Nähe suchen (oder sie verstoßen). Diese Geschichten könnten hilfreich sein, wenn sie den eigenen Werten dienen. Sie können jedoch auch zu einem Hindernis werden, wenn man mit ihnen „verschmilzt“. Geschichten über uns selbst sind Konzepte und als solche geben Sie die Realität nicht vollständig wieder. Verschmilzt man mit einer Geschichte über sich selbst, entsteht eine Entfremdung. Gedanken und Gefühle, welche nicht in die konzeptualisierte Geschichte über einen selbst passen, werden abgelehnt oder ignoriert. Die Verschmelzung mit diesen Geschichten – oder anders gesagt: das Glauben an den Wahrheitsgehalt dieser Konzepte über uns selbst – birgt eine Gefahr in sich: Einerseits erhöht sich hierdurch die Wahrscheinlichkeit, dass wir uns auch in zukünftigen Situationen in Anlehnung an diese Konzepte verhalten werden (also z.B. schüchtern sind, mutig oder auch faul – je nachdem, wie unsere Geschichten über uns lauten) und andererseits blenden wir mit größerer Wahrscheinlichkeit inkonsistente Informationen (z.B. Momente, in denen wir uns nicht schüchtern, mutig oder faul verhalten haben) aus, wodurch es zur Aufrechterhaltung und scheinbaren Bestätigung der Geschichten kommt, auch wenn diese möglicherweise für das Erreichen uns wichtiger Ziele nicht hilfreich sind.

Diese Entfremdung zwischen dem eigenen, tatsächlichen Erleben und dem konzeptualisierten Selbstbild, verringert die Fähigkeit authentische Verbindungen zu sich selbst und zu anderen herzustellen. Eine solche verengte und geschichtsähnliche Art der Selbstbildes wird als „konzeptualisiertes Selbst“ (Selbst als Konzept) bezeichnet. Um ein realistischeres Bild von sich selbst zu erhalten, formuliert Hayes (2019) die Bedeutung eines „Perspektivischen Selbst“ (Selbst als Kontext), als Alternative zum „Konzeptualisierten Selbst». Das Perspektivische Selbst ermöglicht, sich selbst jenseits der begrenzten Wahrheit des „konzeptualisierten Selbst“ zu erfahren: «…es erlaubt uns zu sehen, dass wir mehr sind als die Geschichten, die wir uns selbst erzählen» (Hayes, 2019). Damit wird „das Selbst“ zum Kontext des Wahrnehmens und kann eher als Prozess, denn als Konzept wahrgenommen werden. So gelangen wir zu einem Selbstbild, das sich durch eine nicht-wertende, prozess-orientierte, Moment-zu-Moment-Bewusstheit auszeichnet.

Wir besitzen eine natürliche Sehnsucht nach Orientierung (Hayes, 2019; Grawe, 2007, zitiert in Habermacher, Ghadiri & Peters, 2014). Daher beziehen wir uns oft auf Gedanken, die sich mit der Gegenwart oder der Zukunft befassen: Wie bin ich hierhergekommen? Wo bin ich? Wie komme ich woanders hin? So grübeln wir oft über die Vergangenheit nach oder machen uns Sorgen über die Zukunft. Die natürliche Neigung, unangenehme Gedanken und Gefühle zu vermeiden, verstärkt solche Gedanken umso mehr. Ironischerweise verlieren wir, wenn wir uns stark mit mentaler Problemlösung beschäftigen, den Kontakt zum gegenwärtigen Moment und verlieren in Folge eher die Orientierung. Die Wahrnehmung der ganzen Bandbreite der Möglichkeiten, die im gegenwärtigen Moment liegen, wird durch Gedanken über die Vergangenheit und die Zukunft erschwert (Hayes, 2019).

Killingsworth und Gilbert (2010) bezeichneten dies als „Gedankenwandern». Gedankenwandern ist ein natürliches Phänomen des menschlichen Geistes und findet bei nahezu jeder Tätigkeit statt. Die Gedanken wandern ab in die Zukunft oder Vergangenheit, hin zu Schönem oder weniger Schönem. Analysen zeigen jedoch, dass Menschen, deren Gedanken vom gegenwärtigen Moment wegwandern, weniger glücklich sind. Dies, ohne Rücksicht darauf, ob die Gedanken hin zu angenehmen oder weniger angenehmen Dingen wanderten.

Die Fähigkeit, den gegenwärtigen Moment vollständig zu erleben, ohne sich in den eigenen Gedanken oder Gefühlen zu verlieren, wird als Achtsamkeit bezeichnet (Kabat-Zinn, 2011) und stellt eine Basis von ACT dar (Hayes, 2019). Forschungen zeigen, dass Programme, welche die Achtsamkeit fördern, bei der Behandlung vieler psychischer Beschwerden, wie Angst, Stress, Depressionen sehr wirksam sind (de Vibe et al., 2020). Achtsamkeit wird definiert als die bewusste und urteilsfreie Wahrnehmung des gegenwärtigen Augenblicks (Kabat-Zinn, 2003). Achtsamkeit ist eng verbunden mit dem wertfreien, perspektivischem Selbst. Es befähigt Menschen, flexibel ihre Aufmerksamkeit auf den gegenwärtigen Moment zu lenken und nach den eigenen Werten zu handeln, ohne in automatischen Handlungs- und Denkmustern (d.h. vor allem Anziehungs- oder Vermeidungsmechanismen) gefangen zu sein (Hayes, 2019).

Als soziale Wesen orientieren wir Menschen uns häufig an gesellschaftlichen Konventionen. Dies hat viele Vorteile und reduziert interfraktionelle Probleme. Gleichzeitig birgt es jedoch die Gefahr, dass wir Richtungen einschlagen und Ziele verfolgen, die nicht unsere eigenen sind. Wir verfolgen sie, weil „man“ dies so macht: „Man“ sollte sich gesund ernähren, „man“ muss regelmäßig Sport machen, „man“ beendet, was „man“ begonnen hat… Das Verfolgen der Richtungen und Ziele fühlt sich dann oft leblos und wenig befriedigend an. Weiter noch, sind diese Ziele einmal erreicht sind, liegen sie in der Vergangenheit und stellen spätestens dann keine Befriedigung mehr dar. Andernfalls, wenn sie noch nicht erreicht wurden, liegen sie in der fernen Zukunft und ihre Erreichung ist ungewiss. Ziele – und insbesondere fremde Ziele – eignen sich weniger die Sehnsucht nach Selbstbestimmung und Lebenszweck zu erfüllen (Hayes, 2019). Hilfreicher für ein erfüllendes Leben sind dagegen die eigenen Werte. Die eigenen Werte bilden einen greifbaren und wirksamen Weg, um dem Leben den Sinn zurückzugeben, den die Entfremdung und die Übernahme von fremden Zielen ihm genommen hat. Hayes (2019) beschreibt Werte als bewusst „…ausgewählte Eigenschaften des Seins und Handelns, wie z.B. ein fürsorglicher Elternteil zu sein, ein verlässlicher Freund zu sein, sozial bewusst zu sein oder loyal, ehrlich und mutig zu sein“. Im Gegensatz zu Zielen werden Werte nie vollständig erreicht. Das Leben in Übereinstimmung mit Werten zu leben, ist ein lebenslanges Unterfangen.

Wenn es um Werte, d.h. um werteorientiertes Verhalten geht, gewinnen die bisherigen ACT-Prozesse hohe Relevanz. Durch das Vermeiden von unangenehmen Gefühlen, entsteht häufig eine Entfremdung zwischen dem gewünschten und dem wirklichen Verhalten. Im Vermeiden unangenehmer Situation wird unser Verhalten eng und unflexibel. Hören wir jedoch auf, die eigenen schmerzlichen Gefühlen oder Gedanken vermeiden zu müssen, merken wir, dass wir mehr sind, als diese hinderlichen Gedanken und Gefühle. Sie verlieren Ihre kontrollierende Wirkung über uns. Dieses Ausbrechen aus der eigenen, engen Geschichte, die Position dieses «Perspektivischen Selbst», gibt Raum für ein neues, bewusst gewähltes Verhalten. Wir können in einen bewussten Kontakt mit dem gegenwärtigen Moment treten, die eigenen Gedanken und Gefühle wahrnehmen, und uns flexibel für ein Verhalten entscheiden, welches auf die Situation passt und unsere eigene Werte verkörpert (Hayes, 2019).

Wenn die Vermeidungstendenz abgeschwächt ist, sind wir eher in der Lage, uns zu wertorientiertem Handeln zu entscheiden. Dabei werden von Augenblick zu Augenblick neue, wertorientierte Gewohnheiten aufgebaut, was letztlich uns dazu bringt, zu dem wert- und sinnvollen Leben zu gelangen, welches wir uns wünschen. Commitment stellt sicher, dass wir nicht in alte Muster automatischen Vermeidungsverhaltens zurückfallen. Commitment beinhaltet eine Haltung des Mitgefühls, welche ermöglicht, dass wir uns trotz Rückschlägen nicht in Selbstabwertungen verlieren, sondern uns jeden Moment neu für (oder gegen) das einst gewählte Verhalten entscheiden können. Rückschläge werden durch Commitment als ein natürlicher Teil auf dem Weg zur Umsetzung der eigenen Werte angesehen. Die Haltung von ACT unterstützt Menschen darin, ihre eigene Werte zu finden, wieder ins bewusste tun zu kommen und so sich den Werten gegenüber wieder «committen» zu können. Damit der Weg in Richtung eines Sinnerfüllten Lebens wieder aufgenommen und fortgesetzt werden kann (Hayes, 2019).

Letztlich entsteht psychische Gesundheit also durch effektives Handeln in der realen Welt. Effektives Handeln beinhaltet Handlungen, welche bewusst getan werden – unabhängig von hemmenden Gedanken oder unangenehmen Gefühlen – und welche persönliche Werte widerspiegeln. Durch solch ein Handeln entsteht ein Gefühl für den Sinn des Lebens und der Verbundenheit mit dem Leben selbst (Hayes, Strosahl & Wilson, 2014). Die Fähigkeit, derart zu handeln – bewusst und wertebasiert, auch in Anwesenheit hindernder Gedanken und Gefühlen – wird als psychische Flexibilität bezeichnet.

Meta-Analysen deuten darauf hin, dass psychische Flexibilität für die Gesundheit zentral ist und einhergeht mit der Fähigkeit zur Selbstregulierung (Kashdan & Rottenberg, 2010; Hayes et al., 2006). Doch nicht nur in der Psychologie und Psychotherapie, sondern auch in der Gesellschaft und Wirtschaft, wird psychische Flexibilität als sehr relevant empfunden, da psychische Flexibilität – wenn in der Krise angewandt – als ein Ansatz zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit angenommen wird (Moran, 2011). Psychische Flexibilität ist positiv mit Arbeitsleistung und mentaler Gesundheit assoziiert (Bond & Flaxman, 2006), es hilft, die negativen Folgen von Arbeitsstress abzupuffern und ermöglicht Berufspersonen, sich besser zu konzentrieren (Onwezen, Veldhoven & Biron, 2014). Dass die sechs ACT-Prozesse wirksam sind und zu einer besseren mentalen Gesundheit und erhöhter Lebensqualität beitragen, zeigen nicht zuletzt auch Studien, welche die Wirksamkeit von ACT-Selbsthilfebüchern, unter anderen das Buch von Michael Waadt und Acker (2018) “Das Selbsthilfebuch gegen Burnout* bestätigen (Hofer et al., 2018; Muto, Hayes & Jeffcoat, 2011).

ACT-Matrix

Die ACT-Matrix ist ein Instrument, das im therapeutischen / beraterischen Kontext eingesetzt werden kann, um Verhalten auf seine Funktion in Bezug auf innere Kontexte (Werte, aversives Erleben) hin zu untersuchen. In einem 4-Felder-Schema werden Wichtigkeit/Bedeutsamkeit, aversives Erleben (Gedanken, Gefühle, körperliche Sensationen), Verhaltensweisen von aversivem Erleben weg und Verhaltensweisen auf Wichtigkeiten hin erfasst und aus einem individuellen kontextbezogenen Blickwinkel heraus einsortiert.

Mit der ACT-Matrix kann der Zusammenhang von Verhalten und dem Zweck, dem es dient, aufgedeckt werden und aufzeigen, wie individuelles Verhalten von uns selbst in diese Beziehungen gesetzt wird. Diese Bezüge sind gelernt und werden oft hochgradig automatisch und rigide verwendet und können zur Minderung Psychischer Flexibilität beitragen. Mit unserem Verhalten bewegen wir uns von etwas weg oder auf etwas zu. Die ACT-Matrix zeigt, worauf bezogen diese Bewegungen stattfinden und ob sie funktionieren. Die Bewusstmachung dieser Prozesse kann Menschen wieder in die Freiheit bringen, darüber zu entscheiden, wofür sie ihr Handeln einsetzen – indem sie diese Bezüge willentlich ändern.

Kevin L. Polk. Praxishandbuch ACT-Matrix: Schritt für Schritt zur Anwendung in der klinischen Praxis (German Edition) (S.67-68). Springer. Kindle-Version.

Folgende Fragen sind hilfreich, um  die Bezüge mit der die Matrix zu erarbeiten:

  • Wer oder was ist Ihnen wichtig? (Hin-zu; Innen)
  • Was taucht in Ihnen auf und stellt sich in den Weg, wenn Sie sich zu den Personen oder Dingen hinbewegen, hinbewegen, die Ihnen wichtig sind? (Weg-von; Innen)
  • Wer steht im Mittelpunkt dieser Betrachtungsweise? (Mitte)
  • Was tun Sie, um sich von unerwünschten inneren Dingen wegzubewegen? (Weg-von; Außen)
  • Was tun Sie oder was könnten Sie tun, um sich zu den Personen oder Dingen hinzubewegen, die Ihnen wichtig sind? (Hin-zu; Außen)

Zentrum der Matrix ist immer die Perspektive des Wahrnehmens und Sortierens: „ich, hier und jetzt“. Davon ausgehend geht ein Pfeil nach rechts, die Bewegungen „Hin“ und ein Pfeil nach links, die Bewegungen „Weg von“. Unterhalb der Pfeile werden innere, mentale Vorgänge notiert, oberhalb alles, was nach außen sichtbar, sensorisch erfassbar ist. Daraus ergeben sich 4 Felder, in die alle Aspekte Erlebens und Verhaltens aus der Mittelperspektive heraus eingeordnet werden können:

Rechts unten steht, wer oder was bedeutsam und wichtig ist; worauf sich ein Mensch zu bewegen möchte; links unten steht, was dem an inneren Prozessen in den Weg kommen kann (Gedanken, Gefühle, körperliche Sensationen) – die inneren Barrieren, Hindernisse; links oben stehen Verhaltensweisen, mit denen ein Mensch versucht, aversives Erleben zu vermeiden, ihm versucht zu entkommen, es  zu bekämpfen, es zu kontrollieren; rechts oben stehen Verhaltensweisen, mit denen ein Mensch das verfolgt oder verfolgen möchte (Ziele), was ihm/ihr wichtig und bedeutsam ist.

Die Arbeit mit der Matrix berührt alle Kernprozesse der ACT und findet in der Regel gemeinsam mit dem Patienten eingebettet in die aktuelle Funktion des Therapie- / Beratungskontextes statt.

Die Perspektive ist immer der Mensch, auf den man die Matrix anwendet – ob in Selbstreflektion oder auch um z.B. im Rahmen einer Fallkonzeption Hypothesen aufzustellen und zu überprüfen.

WER-T (DNA-V)

Louise Hayes & Joseph Ciarrochi stellten sich die Frage, wie Menschen zu flexiblen Wesen heranwachsen. Auf Basis der Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT) entwickelten sie daher spezifisch für Jugendliche das DNA-V-Modell. Im deutschsprachigen Raum haben Marie Christine Dekoj und Ralf Steinkopff die grundsätzliche Übersetzungsarbeit geleistet und diesen Ansatz hier als WER-T Modell bekannt gemacht.

Die einzelnen Buchstaben stehen für Discoverer, Noticer, Advisor, Values (dt. WER-T: Wahrnehmer, Entdecker, Ratgeber, Total wichtig). Sie stehen für unterschiedliche Fähigkeiten, die wir nutzen, um in einer komplexen Welt in Richtung unserer Werte navigieren zu können.

Auch für die Arbeit mit Erwachsenen wird dieses Modell zunehmend angewendet, weil es besonders gut ein prozessorientiertes Arbeiten innerhalb des Paradigmas der ACT ermöglicht.

Die Therapiearbeit mit dem WER-T Modell ermöglicht den Klient*innen eine flexiblere Sichtweise auf eigene Verhaltensweisen (sowohl des beobachtbaren als auch des privaten Verhaltens). Damit werden Fähigkeit eingeübt, in schwierigen oder problematischen Situationen innere Zustände achtsam zu bemerken (in der Klinischen RFT nennen wir das „to observe“), sie zu benennen („to describe“) und Handlungen immer wieder darauf abzuprüfen, ob sie funktional im Sinne ihrer Werte und übergeordneten Absichten sind („tracking“). Zunehmend entwickelt sich daraus eine flexiblere Haltung, die die Fixierung auf unangenehme innere Zustände auflöst, das eigene Handeln mehr an eigenen Werten orientiert und dem eigenen Leben mehr Sinn gibt.

Die erste Fähigkeit, die wir lernen, wenn wir auf die Welt kommen, ist der Wahrnehmer. Mit ihm lernen wie die Welt kennen, so wie sie ist, als physische Erfahrung. Später nehmen wir damit auch Phänomene der inneren Welt war. Mit dieser Fähigkeit wird im Hier-und-Jetzt wertungsfrei beobachtet, was geschieht.

Als nächstes entdecken kleine Kinder, dass die Welt auch manipuliert und verändert werden kann. Mit dieser Fähigkeit wird neues Verhalten im Versuch-und-Irrtum ausprobiert, Neugierde und Offenheit sind wesentliche Elemente.

Diese Fähigkeit benennt die allgegenwärtige, automatisierte innere Stimme, die permanent Hinweise gibt, die manchmal nützlich und manchmal hinderlich sind. Der Ratgeber sucht Muster, bildet Regeln, bewertet und erspart die Risiken des Versuch-und-Irrtums.

Diese Funktion benennt eher eine Haltung als eine Fähigkeit, vergleichbar mit den Werten in ACT, die unserem Handeln Sinn und Richtung geben.

Außerdem gibt es noch vier weitere Perspektiven, den geschichtlichen Kontext, den situativen Kontext, die Ich-Perspektive und die Beziehungsperspektive. Zusammen entsteht ein dynamisches Modell, das sich sehr gut in Therapie und Beratung anwenden lässt. Grundidee ist dabei ein flexibles Einnehmen der verschiedenen Perspektiven und Fähigkeitsräume, was Raum gibt für Erfahrungen, Beobachtungen innerer Prozesse in Wechselwirkung mit der äußeren Welt, Reflexionen, Erprobungen etc. Durch diese ständigen lebendigen Perspektivwechsel wird die häufige Fixierung auf mentale Prozesse und Erlebensvermeidungen gelöst. Klient*innen können das Modell schnell verinnerlichen und umsetzen. Der Therapie- und Beratungsprozess wird dynamisch und sehr prozessorientiert.

Erweitertes Evolutionäres Meta-Modell (EEMM)

Eine neuere Formulierung der Akzeptanz- und Commitment-Therapie, die auch eine Brücke schlagen will zur Kognitiven Verhaltenstherapie und psychotherapeutischen Prozessen allgemein, ist die Prozessbasierte Therapie (PBT; Hayes & Hofmann 2017). Im Rahmen der PBT werden die angestrebten Verhaltensänderungen der klinischen Psychologie als angewandte Evolutionswissenschaft verstanden (Hayes et al., 2020a). Die Grundidee ist nicht neu, da bereits B. F. Skinner (1981) explizit auf die Parallelen zwischen Darwinischen Prinzipien und Selektion durch Konsequenzen der Lerntheorie hingewiesen hat. Zu einer interdisziplinären Zusammenarbeit ist es seinerzeit allerdings nie gekommen, da eine verengte, genzentrische Perspektive die Evolutionswissenschaft zu dominieren begann, während die sogenannte „kognitive Wende“ die Verankerung der klinischen Psychologie in Lernprinzipien in den Hintergrund treten ließ.

Dieser Faden wurde jüngst wieder aufgegriffen, mit der Absicht, die vielfältigen evidenzbasierten Veränderungsprinzipien zu ordnen und ein behandlungsleitendes diagnostisches Rahmenmodell zu entwickeln. Die verschiedenen Dimensionen psychischen Funktionierens werden als evolutionäre Anpassungsprozesse über die Zeit verstanden. Alle evolutionären Anpassungsprozesse im darwinschen Sinne sind von drei Prozessen gekennzeichnet, welche kontextspezifisch wirksam sind:

  • Variation: es ist kein Zufall, dass Formen von psychischem Leid und Psychopathologie meist als rigide und inflexibel beschrieben werden. Egal, ob Affekt, Kognitionen, Aufmerksamkeit oder Verhalten; ohne ein gesundes Maß an Variation und Flexibilität wird eine gesunde Anpassung an die Gegebenheiten der Umwelt kaum möglich sein.
  • Selektion: psychische Störung sind meist charakterisiert durch die Wahl maladaptiver Selektionskriterien. Beispiele sind die kurzfristigen euphorischen Empfindungen von Substanzkonsum, auf Kosten von langfristiger Gesundheit und Sinnhaftigkeit im Handeln, oder auch die kurzfristige Erleichterung der Vermeidung von sozialen Ängsten, auf Kosten von sozialen Beziehungen. Psychische Störungen erscheinen darin als “adaptive peak” (wörtlich: Anpassungsspitze): weitere für den Organismus positive Entwicklungen werden verhindert aufgrund gewöhnlicher evolutionärer Prozesse (Klassisches Beispiel in der Evolutionsbiologie ist die Halslänge von Giraffen: noch längere Hälse bieten keinen Überlebensvorteil mehr). Mittels Psychotherapie lernen Menschen, neue Selektionskriterien, wie z.B. Werte, emotionale Verbundenheit, soziale und gesellschaftliche Teilhabe, zu wählen.
  • Heritabilität, bzw. Retention: während Variation die Möglichkeit schafft, neue Erfahrungen zu machen, welche für die Werte und Ziele einer Person selektiert werden können, braucht es noch einen Weg, wie diese im Verhaltensrepertoire einer Person bleiben. Psychotherapie unterstützt diesen Prozess durch Wiederholung in Form von Aufgaben zwischen den Sitzungen, das Einbetten von Handlungen in größeren Verhaltensmustern, Symbolisierung intrapsychischer Prozesse als Teil eines inneren Teams, sowie die Veränderung der Umwelt, sodass sie adaptives Verhalten unterstützt (z.B. durch Stimuluskontrolltechniken).

Aus dieser Betrachtung entsteht das Erweiterte Evolutionäre Meta-Modell (EEMM), welches einen theoretisch konsistenten Rahmen bietet, innerhalb dessen adaptives und maladaptives Funktionieren eines Menschen differenziert beschrieben werden kann und anhand von evidenzbasierten Veränderungsprozessen methodisch eklektisch eine Behandlung geplant werden kann (Hayes et al., 2020b).

Aus der ACT-Perspektive lassen sich den EEMM-Dimensionen Affekt, Kognition, Aufmerksamkeit, Selbst, Motivation und beobachtbares Verhalten die ACT-Prozesse Akzeptanz, Defusion, Hier und Jetzt, Selbst als Kontext, Werte und Engagiertes Handeln zu ordnen. Die ACT-Prozesse fördern auf den verschiedenen Dimensionen einen adaptiven Umgang mit den Herausfordungen des Leben. Kurz gesagt, sie fördern Psychische Flexibilität.

Literatur

Bond, F. W. & Flaxman, P. E. (2006). The Ability of Psychological Flexibility and Job Control to Predict Learning, Job Performance, and Mental Health. Journal of Organizational Behavior Management, 26(1–2), 113–130. https://doi.org/10.1300/J075v26n01_05

Habermacher, A., Ghadiri, A. & Peters, T. (2014). The case for basic human needs in coaching: A neuroscientific perspective – The SCOAP Coach Theory, 10(1), 10.

Hayes, S. C. (2004). Acceptance and commitment therapy, relational frame theory, and the third wave of behavioral and cognitive therapies. Behavior Therapy, 35(4), 639–665. https://doi.org/10.1016/S0005-7894(04)80013-3

Hayes, S. C. (2016). Acceptance and Commitment Therapy, Relational Frame Theory, and the Third Wave of Behavioral and Cognitive Therapies – Republished Article (Special 50th Anniversary Issue: Honoring the Past and Looking to the Future: Updates on Seminal Behavior Therapy Publications on Current Therapies and Future Directions, Part II). Behavior Therapy, 47(6), 869–885. https://doi.org/10.1016/j.beth.2016.11.006

Hayes, S. C. (2019). A liberated Mind. How to pivot towards what matters. New York: Avery.
(Dt.) Kurswechsel im Kopf. Weinheim Basel: Beltz 2020.

Hayes, S. C. & Hofmann, S. G. (2017). Process-Based CBT. Oakland, CA: New Harbinger.

Hayes, S. C., Hofmann, S. G., & Wilson, D. S. (2020a). Clinical psychology is an applied evolutionary science. Clinical Psychology Review.

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