ACT in Kliniken – Interview mit Ronald Burian
und Inga Pontow aus dem KEH Berlin

Das persönliche Interesse für ACT und der Bedarf nach einem störungsübergreifenden Behandlungsansatz waren ausschlaggebend, dass die Akzeptanz- und Commitmenttherapie mittlerweile einen festen Platz im Behandlungssetting für Patienten mit psychischen und psychosomatischen Erkrankungen im Evangelischen Krankenhaus Königin Elisabeth Herzberge (KEH, Berlin) hat. Ronald Burian und Inga Pontow, beide im KEH tätig, haben sich bereit erklärt, im Rahmen eines Interviews Antworten zu geben, welche Schritte dafür nötig waren und was sie denjenigen, die ebenfalls planen, ACT in der eigenen Klinik oder Tagesklinik zu integrieren, empfehlen würden. Ronald Burian, ehemaliges Vorstandsmitglied der DGKV, ist Leiter zweier Tageskliniken und eines Ambulanzbereiches und Inga Pontow Pychologin der Tagesklinik für Psychosomatik.

Wie die Klinik mit ACT in Berührung gekommen ist…
Während Ronalds ambulanter und tagesklinischer Arbeit bemerkte er bei Patienten mit chronischen Schmerzen, insbesondere bei schwer chronifizierten Patienten, dass die klassischen kognitiv psychotherapeutischen Methoden nur zu mäßigem Behandlungserfolg führten. Ein Artikel über die ACT (Gideon Frank) eröffneten Ronald neue Perspektiven in der Arbeit mit Patienten mit chronischen Schmerzen und so fand er sich einige Zeit später mit Mareile Rahming, die damals ebenfalls im KEH arbeitete, in einem Seminar zu ACT bei chronischen Schmerzen mit Joanne Dahl wieder. Inspiriert und motiviert begannen die beiden daraufhin, ein Behandlungskonzept mit ACT für Patienten mit chronischen Erkrankungen zu entwickeln.  

Was die Umsetzung vorantrieb…
Für die Integration eines neuen Behandlungsansatzes in den Klinikalltag, ist es besonders wichtig, dass das Konzept auch bei der Leitung und den Kollegen Anklang findet. Und auch wenn der Chefarzt und einige Kollegen zu Beginn etwas Skepsis dem neuen Ansatz gegenüber hatten (‚Alter Wein in neuen Schläuchen?‘), konnten ihn letztendlich das schlüssige Konzept der ACT, insbesondere der Aspekt der Werteklärung, welcher in anderen Ansätzen häufig zu kurz kommt, sowie die ersten Behandlungserfolge mit Patienten überzeugen. Ein weiterer ausschlaggebender Punkt war letztendlich auch die Austragung des DGKV Kongresses 2013 im KEH, welcher dazu beitrug, dass ACT ebenfalls Begeisterung unter den anderen Kollegen weckte.  

Umstieg von KVT/Selbstmanagementtherapie zur Akzeptanz- und Commitment-Therapie…
In der Zeit des Kongresses wurde die 2010 eröffnete Tagesklinik für Psychosomatik vom Behandlungsansatz der Selbstmanagementtherapie auf den Behandlungsanasatz der ACT umgestellt. Ziel sollte die Behandlung psychosomatischer Komorbiditäten psychischer und körperlicher Erkrankungen sein, mit dem Anspruch, immer auf dem wissenschaftlich neuesten Standard zu arbeiten. Das Team setzte sich aus klinikinternen Mitarbeitern, da diese sich mit dem System des KEH auskennen, und externen Bewerbern, um neuen Input „von Außen“ zu bekommen, zusammen. Allen gemein war das Interesse an der Arbeit mit einem störungs- und fachgebietsübergreifenden Ansatz. Für die Fortbildung der Mitarbeiter organisierte man eine siebentägige Basisschulung, bei der dem Team anhand eines internen ACT-Curriculums alle Kernprozesse vermittelt wurden. Dank der guten Vernetzung mit den Mitgliedern der DGKV konnten sich zusätzlich zur Basisschulung Referenten, u.a. Gideon Frank, Jan Martz, Marianne Lüking, Rainer Sonntag, finden, welche gezielt eine Vertiefung bestimmter Inhalte ermöglichten. Eine detaillierte Ausführung zur Schulung der Mitarbeiter können, nach Veröffentlichung, im Buch „ACT in Kliniken und Tageskliniken“ (Arbeitstitel, s.u.) nachgelesen werden. 

Veränderungen die die Arbeit mit ACT im Kollegium mit sich bringt…
Die Arbeit mit ACT lässt auch das Kollegium sensibler für die ACT-Prozesse werden und beeinflusst wie bei ihren Patienten, somit ebenfalls ihr eigenes Denken, Fühlen und Verhalten. Das Team findet außerdem eine gemeinsame Sprache. Die Patientenbesprechungen werden mit Hilfe der Matrix durchgeführt. Und die Supervision hebt sich von konventionellen Supervisionen dahingehend ab, dass nicht nur der Patient, sondern auch das eigene Denken, Fühlen und Verhalten in Bezug auf den Patienten durch die „ACT-Brille“ betrachtet wird.  

Empfehlungen für die Arbeit mit ACT in Kliniken bzw. Tageskliniken…
Heißer Literaturtipp ist natürlich das im nächsten Jahr im Kohlhammer Verlag erscheinende Buch „ACT in Kliniken und Tageskliniken“ (Arbeitstitel), herausgegeben von Nina Romanzuck-Seifert, Ronald Burian und Albert Diefenbacher unter der Mitarbeit vieler Co-Autoren – ein praxisbezogenes Nachschlagewerk. Co-Autoren sind zum einen Kollegen aus dem KEH aber auch Experten aus anderen Kliniken, um somit ein umfangreiches Wissensrepertoire anbieten zu können. Das Buch hat das Format eines praxisbezogenen Nachschlagewerks und ist für jeden gedacht, der ebenfalls plant, ACT in der eigenen Klinik oder Tagesklinik zu implementieren. 

Weitere Literaturempfehlungen sind: „Therapie-Tools“ von Matthias Wengenroth. Ein Buch, dass zu allen Kernprozessen sehr hilfreiche Arbeitsmaterialien bietet und eine sehr zugängliche Beschreibung für die Arbeit mit der Matrix enthält, somit sehr gut im klinischen Alltag einsetzbar ist. „Focused Acceptance and Commitment Therapy (FACT)“ von Strohsahl, Robinson und Gustavsson, wegen der wesentlich kürzeren Behandlungsdauer im Vergleich zum ambulanten Setting. Patienten mit Interesse zur Vertiefung der vermittelten Inhalte werden Literaturempfehlungen wie beispielsweise „Das Leben annehmen.“ von Matthias Wengenroth oder „Wer vor dem Schmerz flieht wird von ihm eingeholt.“ von Russ Harris, sowie viele weitere seiner Bücher, an die Hand gegeben. 

Neben Literatur empfehlen Ronald und Inga, sich vor allem auch Inspiration durch die Teilnahme an Workshops und den DGKV-Kongressen sowie den Austausch innerhalb der ACT-Community über die Netzwerktreffen oder zum Beispiel der SIG „ACT in der Klinik“ zu holen. Das ist insbesondere deshalb sehr wichtig, um „dran zu bleiben“ und „seinen Blick immer mal wieder zu erneuern“ – damit keine Routine entsteht und die Arbeit mit ACT weiterhin dynamisch bleibt. Aufgrund der guten Kooperation unter den ACT-Kollegen, lässt sich hier sehr schnell Kontakt herstellen. Weiterhin empfiehlt sich natürlich auch der Austausch intern, sollten mehrere Stationen mit der ACT arbeiten.